Während Azadi haupt­säch­lich Projekt­ar­beit leis­tet, versu­chen wir uns auch für die Bewusst­seins­för­de­rung der Rohingya-Thema­tik einzu­set­zen. Durch die Veröf­fent­li­chung der Master­ar­beit «The Rohin­gyas Beyond Domi­na­tion and Resis­tance: A Case Study on Refu­gees’ Inno­va­tive Stra­te­gies»  von Ceci­lia Truf­fer, Azadis Projekt­ko­or­di­na­to­rin, in der Global Migra­tion Rese­arch Paper Series, leis­ten wir einen wich­ti­gen akade­mi­schen Beitrag. In der Wissen­schaft bleibt die Thema­tik der Rohingya nämlich weit­ge­hend uner­forscht.

Erfor­schung von Macht­be­zie­hun­gen

Die Arbeit von Ceci­lia widmet sich der Erfor­schung von Macht­be­zie­hun­gen. Sie analy­siert den Hand­lungs­spiel­raum von Flücht­lin­gen in Bezug zu vorherr­schen­den Auto­ri­täts- und Kontroll­me­cha­nis­men wie bspw. Gren­zen, Immi­gra­ti­ons­be­hör­den und Flücht­lings­po­li­tik, welche die Hand­lungs­macht von Flücht­lin­gen einschrän­ken. Dabei werden verschie­dene theo­re­ti­sche Konzepte der recht­li­chen Anthro­po­lo­gie, Philo­so­phie und Social Move­ment Studies ange­wen­det.

Das Über­le­ben der Rohingya in Malay­sia

Die Autorin erforscht die Fähig­kei­ten der Rohingya, ihr Über­le­ben in Malay­sia zu manö­vrie­ren. Die empi­ri­schen Daten dieser Forschungs­stu­die erhob sie während ihrer halb­jäh­ri­gen ethno­gra­phi­schen Feld­for­schung in Kuala Lumpur/Malaysia im Jahr 2016/17. Während die Preka­ri­tät der Rohingya-Flücht­linge aner­kannt wird, weigert sich Ceci­lia die Rohingya als reine Opfer ohne Hand­lungs­spiel­raum darzu­stel­len. Im Gegen­satz zu ande­ren Forschungs­stu­dien und ‑theo­rien, welche Flücht­linge als komplett macht­lose Indi­vi­duen darstel­len, fokus­siert sich diese Case Study auf das Poten­tial der Rohingya, sich gegen Herr­schafts­struk­tu­ren zu wehren. Dabei ist das Aufzei­gen der in Malay­sia vorherr­schen­den Macht­me­cha­nis­men gegen­über Flücht­lin­gen sowie der Komple­xi­tät der Wech­sel­be­zie­hun­gen von Unter­drü­ckung und Wider­stand uner­läss­lich.

Die alltäg­li­che Wider­stands­fä­hig­keit der Rohingya

Die Analyse zeigt auf, dass die Rohingya ein beacht­li­ches Ausmass an krea­ti­vem und inno­va­ti­vem Wider­stand gegen ihre struk­tu­relle, poli­ti­sche und recht­li­che Unter­drü­ckung in Malay­sia leis­ten. Dieser Wider­stand besteht nicht aus insti­tu­tio­na­li­sier­ten, orga­ni­sier­ten und offen­sicht­li­chen Formen wie bspw. Protest­ak­tio­nen, sondern aus soge­nann­ten «alltäg­li­chen Wider­stands­for­men» (Bezug zu James Scott, 1985). Zu solchen alltäg­li­chen Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien zählen das Fälschen von Ausweis­do­ku­men­ten wie der UNHCR-Karte, Verhand­lun­gen und Bestechun­gen, die Errich­tung von infor­mel­len Flücht­lings­schu­len, die Sicher­stel­lung von Arbeit und Unter­kunft, Soli­da­ri­tät, Mobi­li­tät, Wach­sam­keit, trans­na­tio­nale Akti­vi­tä­ten, Träume und Sehn­süchte.

Die Beherr­schung der Rohingya und ihre interne Spal­tung

Trotz der Beto­nung des Hand­lungs­spiel­raums kommt die Autorin jedoch zum Schluss, dass die Rohingya unge­ach­tet ihrer alltäg­li­chen Wider­stands­fä­hig­keit, nach wie vor enorm unter­drückt und einge­schränkt sind. Während verschie­dene Akteure und Insti­tu­tio­nen für ihre Unter­drü­ckung verant­wort­lich sind, wird die interne Spal­tung der Rohingya-Gemein­schaft als domi­nan­tes­ter Faktor in Bezug auf ihre konti­nu­ier­li­che Margi­na­li­sie­rung iden­ti­fi­ziert. Die Samen für diese inter­nen Spal­tun­gen wurden in der Zeit der engli­schen Kolo­nia­li­sie­rung Myan­mars gepflanzt und wurden anschlies­send von der burme­si­schen Regie­rung mit gros­ser Acht­sam­keit bewäs­sert. Aktu­elle Gründe für diese interne Spal­tung sind unter ande­rem die enorme Einschrän­kung der Bewe­gungs­frei­heit der Rohingya in bestimm­ten Gegen­den der Rakhine Region in Myan­mar sowie der Miss­brauch von Rohingya als Spione durch die burme­si­sche Regie­rung.

Durch den unge­si­cher­ten Status und die damit einher­ge­hende grosse Verwund­bar­keit der Rohingya in Malay­sia wird ihre interne Spal­tung weiter aufrecht­erhal­ten. Indem die Rohingya die in Malay­sia vorherr­schen­den Macht­be­zie­hun­gen versu­chen zu durch­bre­chen, gelan­gen sie in eine Art Teufels­kreis, in welchem die von ihnen ange­wen­de­ten Über­le­bens­stra­te­gien ihre Unter­drü­ckung letzt­end­lich zu verstär­ken schei­nen. Dieses Fehlen an Einheit hindert die Rohingya daran sich gemein­sam für ihre Rechte und die Verbes­se­rung ihrer Lebens­si­tua­tion einset­zen zu können.

Zugang zur komplet­ten Arbeit findet ihr hier.